Die «Künstlergemeinschaft Brücke»
1905 - 1913
- 1905
- Die Künstlergemeinschaft "Brücke" wird am 7. Juni von
den vier Architekturstudenten der Technischen Universität Dresden, Ernst
Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt gegründet.
Karl Schmidt nennt sich von nun an nach seinem Geburtsort Rottluff bei Chemnitz:
Schmidt-Rottluff. Er ist auch für die Namensfindung der Gruppe verantwortlich.
Der Begriff "Brücke" soll kein Programm sein, sondern die Verbindung
zwischen den künstlerischen Haltungen symbolisieren. Kopf der Gruppe
ist Ernst Ludwig Kirchner. Das Ziel der jungen Künstler ist es, in der
bewußten Abwendung von akademischen Traditionen neue Wege künstlerischen
Ausdrucks zu finden. Beim gemeinsamen Zeichnen und Malen suchen sie nach einer
freieren künstlerischen Ausdrucksweise, als sie in der traditionsgebundenen
und formal erstarrten Kunst ihrer Zeit zu finden ist. Am Ende des Jahres eröffnen
sie einen gemeinsamen Laden in Dresden-Friedrichstadt und publizieren den
ersten Band ihres Stammbuches "Odi profanum".
- 1906
- Max Pechstein, Emil Nolde, und der Schweizer Maler Cuno Amiet werden neue
Mitglieder der Gruppe. Mit ersten gemeinsamen Ausstellungen in den Musterräumen
der Lampenfabrik Seifert treten die Künstler an die Öffentlichkeit.
Es werden Passivmitglieder gewonnen, die für einen Jahresbeitrag Grafikmappen
erhalten und über Neuigkeiten und Entwicklungen informiert werden. Ernst
Ludwig Kirchner schneidet das Programm der Künstlergruppe in Holz: "Mit
dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der
Genießenden rufen wir alle Jugend zusammen, und als Jugend, die die
Zukunft trägt, wollen wir und Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber
den wohlangesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns,
der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen
drängt."
- 1907
- Nach Streitigkeiten treten Nolde und Bleyl aus der "Brücke"
aus. Auf der Suche nach dem Ursprünglichen und Unverfälschten in
der Natur reisen Heckel und Schmidt-Rottluff im Sommer in den ruhigen Fischerort
Dangast bei Oldenburg. Kirchner und Pechstein arbeiten unterdessen gemeinsam
in Goppeln bei Dresden. Ihre Motive sind Landschaften, Strassenszenen, Porträts,
Atelieransichten und Akte. Die Ergebnisse ihrer Arbeit zeigen die Maler bei
einer großen Wanderausstellungen in verschiedenen Städten, darunter
Flensburg und Solothurn. Der Finne Axel Gallén-Kallela tritt der Gruppe
bei.
- 1908
- Heckel und Schmidt-Rottluff lernen Rosa Schapire kennen, die sich fortan
besonders für die Kunst von Schmidt-Rottluff einsetzt. Der Holländer
Kees van Dongen und der Hamburger Maler Franz Nölken schließen
sich zeitweilig der Vereinigung an. Im Sommer entdeckt Kirchner die Ostseeinsel
Fehmarn für sich und wird später öfter hierher zurückkehren.
Im September stellt die Gruppe im Kunstsalon Richter in Dresden aus. Pechstein
zieht nach einem neunmonatigen Parisaufenthalt im Herbst nach Berlin um. Die
dritte Jahresmappe der "Brücke" erscheint mit Drucken von Heckel,
Kirchner und Pechstein.
- 1909
- Im Sommer halten sich Kirchner und Heckel zusammen mit Freundinnen und
den beiden Modellen Fränzi und Marcella an den Moritzburger Teichen bei
Dresden auf. In den Mittelpunkt ihres künstlerischen Interesses rückt
nun die Darstellung des nackten Menschen in der freien Natur. Hier können
die Maler ihre Idealvorstellung von einer harmonischen Einheit zwischen Kunst
und Leben verwirklichen. Die intensive Zusammenarbeit bringt den nunmehr eigenständigen
"Brücke"-Stil hervor: leuchtende Farbkontraste, kräftige
Konturen, flächiger Bildaufbau und impulsive Malweise kennzeichnen die
Bilder. Die vierte Jahresmappe gestaltet Schmidt-Rottluff. Henri Matisse und
Edvard Munch lehnen eine Mitgliedschaft in der Vereinigung
trotz mehrmaliger Aufforderung ab.
- 1910
- Pechstein wird von der Berliner Secession zurückgewiesen und gründet
daraufhin in Berlin die "Neue Secession". Die "Brücke"-Mitglieder
treten geschlossen bei. Den Sommer verbringen Kirchner, Heckel und Pechstein
wiederum an den Moritzburger Teichen. Anschließend besuchen Heckel und
Pechstein den in Dangast weilenden Schmidt-Rottluff. Zusätzliche stilprägende
Einflüsse empfangen die Maler durch die Auseinandersetzung mit der Kunst
der Naturvölker aus Afrika und der Südsee. Im September haben sie
eine bedeutende Ausstellung in der Galerie Arnold in Dresden, mit 87 Werken
von Amiet, Heckel, Kirchner, Pechstein, Schmidt-Rottluff und, als Gast, Otto
Mueller. Die Künstler gestalten einen Ausstellungskatalog mit 20 Originalholzschnitten.
Otto Mueller, der an den Akademien in Dresden und München studiert hat
und gelernter Lithograph ist, wird zum Jahresende Mitglied. Er hat seinen
persönlichen Stil bereits ausgeprägt, dieser hat mit dem starkfarbigen
Flächenstil der Brücke eigentlich wenig gemein. Doch die von ihm
ausgehende Harmonie zwischen Leben und Kunst gefällt den Freunden so
sehr, dass sich eine Gemeinschaft ergibt. Die fünfte Jahresmappe enthält
drei Drucke von Kirchner, den Umschlag gestaltet Heckel.
- 1911
- Der tschechische Maler Bohumil Kubista tritt der Gruppe bei. Den August
verbringen Kirchner und Heckel ein letztes Mal an den Moritzburger Teichen.
Im Herbst erfolgt der Umzug der "Brücke" nach Berlin, wo sich
in den letzten Jahren vor dem 1. Weltkrieg die Bestrebungen der neuen Kunst
konzentrierten. Die Künstler erhoffen sich auch in der Metropole bessere
Kontakte zu Kunsthändlern und Ausstellungsmachern sowie ein aufgeschlosseneres
Publikum. Das Erlebnis der Großstadt und Einflüsse der internationalen
Avantgarde (Kubismus und Futurismus) bewirken einen Stilwandel. Als Gegenpol
zum Großstadt-Expressionismus suchen die Künstler weiterhin den
Ausgleich in der Natur während ihrer Sommeraufenthalte an verschiedenen
Orten der Ostseeküste. Kirchner und Pechstein gründen das MUIM-Institut
(Moderner Unterricht im Malen). Herwarth Walden veröffentlicht in seiner
Zeitschrift "Sturm" ausgewählte Druckgrafiken der "Brücke".
Die sechste Jahresmappe erscheint mit Drucken von Heckel und einem Umschlag
von Kirchner.
- 1912
- Im April stellt die "Brücke" im Kunstsalon Fritz Gurlitt
in Berlin aus. Der Ausstellungskatalog enthält 11 Originalholzschnitte.
Im Sommer beteiligt sich die "Brücke" an der bedeutenden Sonderbundausstellung
in Köln. Pechstein tritt aus der Künstlergruppe aus, die "Brücke"
tritt aus der "Neuen Secession" aus, wie Heckel sagt um die
Ziele und Bestrebungen der Brücke rein zu erhalten . Es entstehen
Kontakte zur Münchener Künstlergruppe "Blauer Reiter".
Der bisher einheitlich geprägte "Brücke"-Stil mündet
nun in verschiedene individuelle Handschriften. Kirchners berühmte Großstadtbilder
entstehen und zeigen in nervösem Pinselstrich die hektische Atmosphäre
der modernen Metropole.
- 1913
- Die Gruppe plant ihre gemeinsame Arbeit mit einem besonderen Dokument zu
vertiefen: Chronik der Künstlergemeinschaft Brücke,
bei dem Kirchner den Text verfassen und das Material ordnen soll. Als alles
vorliegt, kommt es zum Streit, letztendlich zum Zerwürfnis. Die meisten
Mitglieder sind der Auffassung, daß sich Kirchner zu sehr in den Vordergrund
stellt. Im Mai erhalten die Passivmitglieder die Nachricht: Die Unterzeichneten
beschlossen, KG Brücke als Organisation aufzulösen. Kirchners
Unterschrift fehlt. Er vollendet später ohne Wissen der Freunde die Chronik
und versendet einige wenige Exemplare. Der Titelholzschnitt der Chronik
gilt also als Schlußzeichen eines Höhepunktes in der deutschen
Kunstgeschichte, zugleich als Dokument eines traurigen Abschiedes. Neben einer
reichen Fülle an Gemälden und Zeichnungen dokumentiert eine immense
druckgrafische Produktion heute das einzigartige Werk der progressiven Künstlergruppe
vom Anfang des 20. Jahrhunderts.
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