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jürgen höritzsch

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Rede von Hans Brinkmann zur Eröffnung der Ausstellung TRANCE in der Stadtgalerie Vilshofen
Vorstellung des originalgrafischen Buches LETTERNBRUT durch Hans Brinkmann

Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Mysterium" am 18. Mai 2008 im Gellert-Museum Hainichen

Bilder und Druckgrafik aus 12 Jahren.

von Brigitta Milde, Chemnitz

Auch wenn, durch die Allgegenwart von Bildern im heutigen Medienzeitalter, ihr magischer Charakter weitgehend in Vergessenheit geraten ist, waren anfänglich Bild und Kult nicht voneinander zu trennen. Eine der Deutungen der Tiermalereien in den Höhlen von Lascaux besagt, dass vorher symbolisch am Abbild der Jagdzauber verübt wurde, um im Anschluss die Beute tatsächlich erfolgreich zu erlegen. Noch heute kann es in Ausnahmefällen Reisenden in entfernten und entlegenen Regionen passieren, dass sich Menschen scheuen, fotografiert zu werden, weil sie glauben, mit dem Bild erlange der Fremde Einfluss auf den Abgebildeten. Und alle kennen wir Geschichten von ausgekratzten Augen auf den Fotos vergangener Liebhaber, Geschichten von Bildern also, an denen stellvertretend Handlungen verübt wurden, die eigentlich dem Dargestellten gelten.

So stehen Abbild und Vorbild, Wirklichkeit und Geheimnis in einem Zusammenhang, der sich im Bildwerk vergegenständlicht. Etwas Mystisches, nur Eingeweihten Zugängliches haftete seit prähistorischer Zeit den Bildern an, egal, ob wir uns heute noch dessen bewusst sind oder nicht. Es gibt Religionen mit einem strikten Bilderverbot - wie das Judentum und der Islam - und andere mit ausgeprägtem Bilderkult, wie Hinduismus, Buddhismus und Christentum. Gleichgültig ist offenbar keiner der Religionen ihr Verhältnis zum Bild. Der prozentual hohe Anteil von jüdischen abstrakten Künstlern hat zu kunsthistorischen Spekulationen über die Rolle des jüdischen Bilderverbots bei der Herausbildung der Abstraktion um 1910 geführt. In sofern sind auch die modernen Mediengesellschaften Bildergesellschaften, wenn auch säkularisierte. Egal, ob Bilderverehrung oder Bildabstinenz - mehr als die Musik, um die es vergleichbare Streitigkeiten nie gab, umgibt die Malerei ein Mysterium, das sich heute nicht zuletzt über den Preis eines Kunstwerkes offenbart oder verschließt. Dies alles - oder dies alles gerade nicht - hatte Jürgen Höritzsch vielleicht im Sinn, als er seine neue Ausstellung mysterium nannte.

Ausstellung mit Malerei und Grafik aus den letzten zwoelf Jahren
Blick in die Ausstellung: "Balzwerk", "Drei Hasen Blau" und "Die Andere"
Foto: Heinz Hammer

Die Exposition zeigt Bilder der letzten zwölf Jahre. War die plakative Mitteilung eines beabsichtigten Inhalts nie seine Sache, so überrascht es kaum, daß Jürgen Höritzsch auch diesmal mit Anspielungen und Paradoxa gearbeitet hat: mit nur scheinbar realistischen Wiedergaben von Personen und Objekten, deren Zusammenhang wir tatsächlich nicht nachvollziehen können, und verfremdenden Strukturen und Texturen, die sich als eigentliches Thema seiner Kunst herausstellen. Unglaublich, unvorstellbar, unbegreiflich ist in diesen Bildern vieles. Genau darin finden Freunde und Kenner seiner Kunst das Bekannte.

Die älteste Komposition der Ausstellung ist das Gemälde "Der Reigen" von 1996. Was sind das für Föten und Skelette, die da zum Tanze angetreten sind? Wie Urformen des Lebens erinnern sie an frühe Entwicklungsstadien verschiedener Tiere, und wie in einem Sinnbild der Phylogenese scheint sich eins aus dem anderen heraus zu entwickeln. Solche surrealen Szenen erinnern formal noch an Lösungen des Künstlers aus den 1980er Jahren. Allerdings malt Jürgen Höritzsch seit mehr als 10 Jahren seine Sujets nicht mehr direkt auf die Leinwand, sondern zunächst auf halbtransparentes Papier. Dort deckt er helle Stellen mit Gummiarabikum ab und überzieht die gesamte Fläche anschließend mit Tusche, bevor unter einem scharfen Wasserstrahl die Schwärze von den Flächen, die hell bleiben sollen, wieder abgesprengt wird. Die so gewonnenen Umsetzungen seiner Motive collagiert der Künstler auf die Leinwände, die er sodann mit Acrylfarbe weiter bearbeitet. Charakteristisch für diese Mischtechnik, die Jürgen Höritzsch Laminage-Malerei nennt, ist in seinem aktuellen Schaffen das befremdliche Nebeneinander stilistisch verschiedener Formengruppen.

"Drei Hasen blau" heißt ein extremes Hochformat auf leuchtend-farbigem Grund. Auf drei unterschiedlich blauen Farbfeldern sind drei nahezu gleiche Tiere plaziert, die der Bildtitel uns benennt. Ihre stilisierte Embryonenform wirkt grotesk durch die Länge der Hinterläufe. Mit der Reduktion auf eine Grundform, die an noch nicht voll Entwickeltes denken lässt, spricht der Künstler eine allgemeinere, auch prinzipiellere Ebene an. Die amöbenartigen Kreaturen früher Bilder wirken bis in diese Komposition aus dem Jahr 2002 hinein. Zugleich ist der monochrome, stark verfremdende Bildgrund eine Erfindung neueren Datums. Dürer, Beuys und Horst Antes haben den Hasen in den Olymp der Kunst eingeführt; auch Jürgen Höritzsch hat das Motiv schon vielfach verwendet. Ganz unabhängig von manchen malenden Künstlerkollegen sind außerkünstlerische Deutungen ihm aber gleichgültig. Der Hase ist für ihn kein Symbol, sondern schlicht, wie er selbst es nennt, "Sympathieträger". Deshalb zeigt das sonderbare Gemälde "Heimsuchung" auch die Beziehung zwischen Mensch und Hasen nicht als krasse Aggression, sondern subtil als auf einer Domestizierung beruhende.

Es gibt viele Motive, die sich - teils offen, teils verdeckt - immer wieder durch die Arbeiten dieses Künstlers ziehen. Sie werden wieder aufgegriffen, "angereichert" und in einen neuartigen Zusammenhang gestellt, was den Betrachter zwischen Wiedererkennen und Irritation schwanken läßt. Diese erprobten Motive können außerdem in ganz unterschiedlichen Formaten und Techniken Anwendung finden: in den Gemälden ebenso wie in der Druckgrafik, auf großen Leinwänden und kleinen Papieren. Derzeit und noch bis zum 8. Juni zeigt das Stadtmuseum in Leipzig die Exposition "Richard Wagner- Episode X", in der Jürgen Höritzsch mit einer Serie von neun kleinformatigen, quadratischen Bildern vertreten ist.

Ausstellungsbesucher vor dem Bild: Der Reigen
Ausstellungsbesucher vor dem Bild: "Der Reigen"
Foto: Heinz Hammer

Jürgen Höritzsch ist nicht nur Maler, sondern auch ein herausragender Grafiker. Gerade heute, wo Freiheit und erzwungene Novität in der Kunst handwerkliches Können zur Sekundärtugend degradieren, sind handwerklich perfekte Druckgrafiken fast schon eine Rarität. Wohl nirgends aber zeigt sich das schöpferische Potential eines Künstlers deutlicher als in der vollständigen, zwingenden und dabei unaufwendigen Symbiose von Kunst und Handwerklichkeit. Schon seit Jahrzehnten experimentiert Jürgen Höritzsch im Bereich der Druckgrafik, speziell der Radierung, mit Forschergeist.

Er handhabt ungewöhnliche und selbst erstellte Rezepturen und verwendet unterschiedlich zusammengesetzte Abdecklacke, solche, die komplett die Metallplatte versiegeln und homogene graue Flächen erlauben, oder ganz magere, die spröde sind, beim Trocknen in der Sonne ein Krakelee bilden und sich nach dem ätzen als feines Lineament niederschlagen. Außerdem ätzt er Platten mehrfach und verschieden lange, so dass sich eine ganze Abstufung von Grauwerten bis zum tiefsten Schwarz ergibt. In Kombination mit Reserveverfahren und Weichgrundradierungen praktiziert der Künstler seit 2005 schließlich eine neue Technik. Indem er zum Abdecken der Metallplatten lichtempfindlichen Kopierlack verwendet, wie er herkömmlich in der Elektronik zur Herstellung von Leiterplatten eingesetzt wird, kann er bekannte oder halbbekannte Bildikonen wie in seinen Gemälden so nun auch in der Radierung zitieren. Belichtet und entwickelt ähnlich einem Foto, wird der Kopierlack nur an den schwarzen Stellen verletzt und bleibt an den hellen Partien unberührt. Dadurch wird im anschließenden ätzbad die Radierplatte zerfurcht, wo der Lack zerstört ist. In den so entstandenen Fugen kannsich die Druckerschwärze verfangen, um unter dem Druck der Presse auf das Papier übertragen zu werden.

Eigentlich ist es müßig, das ganze Procedere beschreiben zu wollen. Denn Jürgen Höritzsch kombiniert die verschiedenen Tiefdruckverfahren und erfindet immer neue Varianten hinzu. Dieser Künstler genießt den Umgang mit dem Material seiner Kunst. Seine Radierungen repräsentieren einen komplexen Werkprozess von erstaunlicher Souveränität. Zugleich gebraucht Jürgen Höritzsch diese Technik so selbstverständlich, ja, spielerisch, dass letztlich für den Betrachter Fragen der Herstellung nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern auch zweitrangig geworden sind - ich verweise hier speziell auf das Blatt "Garten der Dreifaltigkeit" von 2007, jene Arbeit, die auch die Einladung zur Ausstellung im Gellert-Museum Hainichen ziert.

Mit Recht genießt Jürgen Höritzsch also den Ruf eines ausgewiesenen Radierers, zieht er doch alle Register der Technik und experimentiert nicht nur während der Bearbeitung der Platte, sondern auch noch während des Drucks. Dass er diesen selbst besorgt, versteht sich (speziell in Hinblick auf die Farbgrafiken) von selbst. So entwickelt dieser Künstler aus dem Wechselspiel von künstlerischer Konzeption und technischer Variation, Planung und Spiel seine Ausdrucksmittel, die immer mehr sichtbar machen als nur ein Motiv.

Erst kurz vor der Ausstellungseröffnung hat Jürgen Höritzsch das originalgrafische Buch "Trance" mit Texten des literarischen Expressionismus (Albert Ehrenstein, Franz Werfel, Gottfried Benn, Georg TrakI, Berta Lask, Ruth Schaumann und Georg Heym) und 9 Radierungen fertiggestellt. Wie Texte und Bilder, Buchblock und Einband ein Ganzes bilden, das weit über die Qualität seiner Einzelteile hinausweist, ist großartig. Gerahmt an der Wand und aufgeschlagen in der Vitrine begegnen Sie diesem Werk und können sich von der gedanklichen Dichte und künstlerischen Assoziationskraft selbst überzeugen.

Jürgen Höritzsch, der eine feste Größe im Kunstleben der Stadt Chemnitz und unserer Region ist, arbeitet in einem Atelier im Industriedenkmal Wirkmaschinenbau Schubert und Salzer. Dort entstehen seine Gemälde, aber auch die Druckgrafiken, für deren Vervielfältigung eine Radierpresse vorhanden ist. Daß das Gellertmuseum Hainichen heute, zum internationalen Museumstag, eine Schau dieses Künstlers eröffnet, zeigt die Wertschätzung, die er genießt. Mit 8 Gemälden und 18 Grafiken sowie dem originalgrafischen Buch bietet diese Museumsausstellung, deren Hängung der Künstler übrigens selbst besorgte, einen guten Einblick in sein Oeuvre und zugleich Anregungen und Impulse über den Tag hinaus. Ich wünsche Ihnen intensive und anregende Kunstbegegnungen. Der Ausstellung - wie den parallel gezeigten Parkmöbeln von Volker Beyer - wünsche ich die gebührende Aufmerksamkeit!

Brigitta Milde